Tebello , vielen Dank für deine Bereitschaft, dieses Interview mit mir zu machen! Kannst du uns ein wenig über dich selbst erzählen, wo du herkommst, über deine Familie und deinen Hintergrund?
Unsere Familie stammt ursprünglich aus Klerksdorp, wir zogen nach Mafikeng wegen der Arbeit meines Vaters. Wir hatten viele Probleme am Anfang, wir hatten kein Haus, sondern wohnten in einer Hütte. Aber im Laufe der Zeit hat mein Vater ein Haus gebaut. Ich bin das zweite Kind zu Hause, aber meine Schwester starb, als ich noch sehr klein war. Ich erinnere nicht mich an sie. Meine Eltern und ich gehören zur katholischen Kirche, wo wir jeden Sonntag hingehen. Ich habe vor kurzem begonnen, die Jugendgruppe in der katholischen Kirche zu besuchen. Wir sind hier in Mafikeng viel umgezogen, deshalb habe ich verschiedene Schulen besucht.
Was ist wichtig für dich und warum?
Meine Eltern haben mich ermutigt, mit meiner Schulausbildung sehr ernsthaft zu sein, und ich kann sehen, dass dies Früchte trägt. Ich gehe gern zur Schule und ich habe gute Noten und ich genieße es, ein ehrgeiziger Schüler zu sein.
Welche Menschen haben in deinem Leben Spuren hinterlassen und warum?
Der wichtigste Mensch in meinem Leben ist mein Vater. Er ermutigte mich und motiviert mich. Wenn ich irgendwo nicht mitkomme, dann ist er es,der hinter mir steht. Er teilt mit mir seine eigenen Erfahrungen. Er hat mir geholfen, jemanden zu finden, der mir Nachhilfeunterricht in Mathematik gegeben hat. Ich war nicht immer gut in Mathe. In der Schule ist mein Mathe-Lehrer die wichtigste Person, der mir geholfen hat, Mathe zu verstehen, und er ermutigte mich, nicht aufzugeben.
Auch die MitarbeiterInnen von der support group „A Re Tshamekeng Bana“(Selbsthilfegruppe für Kinder, die mit HIV/AIDS leben) sind wichtige Vorbilder für mich.
Ich habe festgetellt, dass du besondere Gaben und Talente hast, die nicht oft zusammen kommen: Du bist gut in Mathematik und Naturwissenschaften, und du kannst Gedichte schreiben. Wie kommen diese verschiedenen Fähigkeiten zusammen in Deinem Leben?
2011 haben wir am Tag der Jugend (16.6.) eine Feier gehabt von “A Re Tshamekeng Bana“. Jemand schlug vor, dass wir einen Gedichtvortrag auf das Programm setzen . Ich meldete mich freiwillig, obwohl ich das noch nie zuvor getan hatte. Als ich nach Hause kam, setzte ich mich hin und fragte mich, was ich jetzt zu tun sollte. Ich dachte eine lange Zeit nach und dann fing ich an, ein Gedicht zu schreiben. Als ich es fertig hatte , zeigte ich es meiner Mutter. Sie glaubte mir nicht, als ich ihr sagte, dass ich dieses Gedicht geschrieben hatte. Als die Feier am 16. Juni kam, war ich ein wenig nervös, aber als ich auf die Bühne gerufen wurde und ich all die Menschen ansah, fühlte ich mich sehr gut, und das Gedicht kam leicht rüber, ich konnte spüren, dass da eine Verbindung war zwischen mir und dem Publikum. Ich fühlte mich, als hätte ich nie etwas anderes getan, als vor Menschen zu stehen und Gedichte vorzutragen. Es war ein tolles Gefühl.
Von dieser Zeit an schrieb ich jeden Tag Gedichte. Es war es für mich so etwas wie ein Tagebuch. Ich drückte meine Gefühle und Gedanken durch sie hindurch aus. Eines Tages hörte ich von einem Poesie-Wettbewerb. Ich bewarb mich, ohne zu wissen, was zu erwarten war. Ich wurde zu einem Vorwettbewerb eingeladen und wurde ausgewählt, in Johannesburg die Nord-West Provinz im Wettbewerb zu vertreten. Als ich dort ankam, war ich der jüngste der Dichter, und ich fühlte mich ein wenig fehl am Platz
Als ich an der Reihe war, auf der Bühne zu stehen (es war das berühmte Market Theatre), hatte ich das Gefühl, dass ich mit allen, die zuhörten, verbunden war. Es gab einen großen Applaus, als ich fertig war. Schließlich gewann ich den ersten Preis an diesem Tag. Das war höchst erstaunlich für mich.
Mathematik und Poesie sind wie eine Münze mit verschiedenen Seiten. Wenn ich ein mathematisches Problem lösen muss und nicht weiterkomme, setze ich mich und schreibe ein Gedicht, und dann ich fühle mich frisch und voller Energie. Das gleiche, wenn ich versuche, Gedichte zu schreiben, wenn ich nicht ausdrücken kann , was ich fühle, hole ich mir meine Mathe-Bücher, und nach einer Weile geht es wieder.
Du warst Mitglied in der support group „A Re Tshamekeng Bana“. Wer hat dich eingeladen und was hast du dort gelernt?
Ich war von einem Schulfreunde eingeladen worden, der der Gruppe beigetreten war. Als ich zum ersten Mal dort war, spürte ich, dass diese Gruppe wie eine Familie war und ist. Es gibt starke Bindungen zwischen den Mitgliedern, und ich mochte es. Obwohl ich der Gruppe vom Alter her entwachsen bin, fühle ich mich immer noch zugehörig.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Nächstes Jahr werde ich meine Schulausbildung beenden und mein Traum ist es, an die Universität von Cape Town zu gehen. Ich moechte Geologie studieren. In Südafrika gibt es viele Bodenschätze, und als Geologe könnte ich dazu beitragen, diese zu entdecken und im Bereich der Minen Arbeitsplätze zu schaffen.
Meine zweite Wahl wäre, ein Mathe-Lehrer zu werden. So viele Kinder scheitern an Mathematik. Ich habe bereits Nachhilfe- Klassen für MitschülerInnen in meiner Schule angefangen. Das macht mir Freude, und ich merke, dass ich das gut kann.
Danke für das Interview, Tebello!
Christel Hermann
Ein Gedicht von Tebollo kann man in der englischen Fassung dieses Beitrags nachlesen.