Es jährte sich dieses Jahr zum zwanzigsten Mal, dass unsere Action Group Tshepanang einen fünftägigen Workshop im südafrikanischen Frühling abhalten konnte. Wir sind dankbar dafür, dass er in den vergangenen zwanzig Jahren nicht ein einziges Jahr ausfallen musste. Der diesjährige Workshop war nicht nur wegen des Jubiläums von besonderer Natur, sondern vor allem deswegen, weil wir uns in diesem Workshop einem neuen Thema zugewendet haben, das in Südafrika täglich neue traurige Schlagzeilen macht: Gewalt gegen Frauen (Gender Based Violence). In unserem Land wird alle drei Stunden eine Frau umgebracht, mehr als die Hälfte von ihnen von ihren Partner. Das ist fünfmal mehr als der weltweite Durchschnitt.
Bei diesem Workshop, der vom 4. bis 8. Oktober im St. Joseph’s Retreat Center in Mahikeng stattfand, lernten 52 Peer Educators und ein Lehrer 12 neue Unterrichtseinheiten über Gender Based Violence kennen, die sie im nächsten Jahr in 25 Schulen unterrichten wollen. Einige dieser Stunden wurden ihnen von Mentoren demonstriert, andere mussten sie sich selbst erarbeiten und sich dann gegenseitig in Gruppen vorführen.
Die Grundfragen, die in den 12 Unterrichtseinheiten behandelt werden, sind: Warum machen Männer das? und: Warum lassen Frauen sich das gefallen? Meist anhand von Geschichten demonstrieren die Stunden die tieferliegenden Ursachen von Gender Based Violence. Da ist zunächst die hohe Arbeitslosigkeit in Südafrika, die bei 32,4% und bei Jugendlichen über 60% liegt. Weil sie kein Einkommen haben, können Männer ihre angestammte Rolle als Haupt und Versorger der Familie nicht erfüllen. Die Frustration über ihre Ohnmacht drückt sich dann in Gewalt gegen ihre Partner aus. Oft ist dabei Alkohol mit im Spiel. Das Stereotyp, dass Männer die alleinigen Versorger der Familien sein müssen, haben viele Männer tief internalisiert und verachten sich dann selbst, wenn sie diesem Anspruch nicht genügen können.
Aber auch Männer, die Arbeit haben, können gewalttätig werden, um ihre Macht zu demonstrieren und weil sie das Bedürfnis haben, absolute Kontrolle über ihre Partner auszuüben. Sie haben das Verständnis, dass sie jederzeit ein Recht auf Sex haben, obwohl Vergewaltigung in der Ehe in Südafrika seit 1993 eine Straftat ist. Ein anderer Grund für Gender Based Violence ist vermutetes Fremdgehen der Partnerin. Oft reicht schon der leiseste Verdacht aus, um die Partnerin gehörig zu verprügeln. Mädchen und Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, schweigen oft stille, weil sie noch massivere Gewalttaten befürchten oder weil sie finanziell vom Täter abhängig sind oder weil sie den guten Namen der Familie nicht in Verruf bringen wollen.
Unser Traum ist es, dass diese Unterrichtseinheiten, die den Kindern die Hintergründe von Gender Based Violence vor Augen führen, dazu helfen können, eine neue Generation von jungen Männern und Frauen heranzubilden: Männer, die wissen, dass sie vollwertige Männer sind, selbst, wenn sie kein Einkommen haben, und dass gegenseitiges Vertrauen besser ist als Kontrolle und Machtausübung; Frauen, die selbstbewusst genug sind, um Gewalttäter anzuzeigen, weil sie verstanden haben, dass Stillschweigen ihre ganze Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder gefährdet.
Bei der abschließenden Evaluierung bekundeten die Peer Educators ihre große Bereitschaft, diese Unterrichtseinheiten im nächsten Jahr in ihren Schulen zu unterrichten. Die Mehrheit plädierte dafür, diese Stunden bereits in der fünften Klasse zu unterrichten und nicht erst ab Klassenstufe 7.
Am Donnerstagabend gab es ein Fest, wo wir feierten, dass zwei Mitglieder, Lesego Madola und Lucky Gumede, ihr ABET Certificate erworben haben, das ihnen erlaubt, ein Lehramtstudium zu beginnen. Es passte zum Thema, dass diese beiden seit langer Zeit die ersten Männer waren, die diese Qualifikation erworben haben. Sie haben wahrhaftig keinen Grund, sich selbst zu verachten!
Wolfgang Hermann