Juni ist in Südafrika der Monat der Jugend. Am 16.Juni ist ein nationaler Feiertag, an dem der Schüler-aufstände in Soweto 1976 gedacht wird. An diesem Tag kamen hunderte Jugendliche ums Leben, weil sie gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache protestierten. Dagegen ging die Polizei des Apartheids- Regimes mit scharfer Munition vor. In vielen Schulen ist es üblich, nahe an diesem Feiertag eine Gedenkveranstaltung durchzuführen, wobei auch die heutigen Probleme und Herausforderungen der Jugend thematisiert werden.
Die Männergruppe von Tsibogang Christian Action Group, die im Mai 2021 gegründet wurde und sich A Re Ageng Morafe (Lasst uns die Nation aufbauen!) nennt, hatte die Idee, in Zusammenarbeit mit den Tshepanang Mitglieder die Schulleitungen einiger Schulen zu bitten, bei ihrer Gedenkveranstaltung das Thema Gender Based Violence (Gewalt gegen Frauen und Mädchen) zur Sprache bringen zu dürfen. Insgesamt konnten unsere Mitglieder dann an fünf Schulen eine Veranstaltung durchführen. Bei zwei dieser Veranstaltungen war ich mit von der Partie.
Die erste führt mich nach Springbokpan an die Tsholofelo Primary School am 15.06.22. Es weht ein eisiger Wind. Mangels einer Halle findet die Veranstaltung auf dem Schulhof statt. Es dauert einige Zeit, bis die Schüler aus allen Klassen zusammengekommen sind. Jeder bringt seinen Stuhl aus dem Klassenzimmer mit. Es sind insgesamt 670 Schüler aus den 14 Klassen dieser Schule, dazu die Lehrer und einige Elternvertreter. Ein mächtiger Chorus schallt über den Platz. Dann hält Lebogang Masibi, Mitglied der Männergruppe, eine kurze Andacht und spricht ein Gebet. Nun bin ich dran. Ich sehe, wie die Augen der vielen Kinder erwartungsvoll auf mich gerichtet sind. Ungläubiges Staunen, als sie hören, dass ich Setswana spreche. Ich male ihnen vor Augen, dass sie, wenn sie mit der Schule fertig sind, womöglich keine Arbeit finden. Das geht jedem Dritten hier so. Besonders für die Mäenner ist das schlimm, denn dann können sie nicht der Versorger ihrer Familie sein. Ich beschwöre sie, sich dann nicht zu verachten und zu denken, sie seien keine richtigen Maenner. Ein Mann ohne Einkommen ist immer noch ein Mann! Er kann das durch viele konstruktive und kreative Aktionen unter Beweis stellen. Aber viele Männer machen das nicht, sondern projizieren ihre Wut und Selbstverachtung auf ihre Partnerinnen.
Dann präsentiert der Tshepanang Chor zwei tolle Lieder. Lucky Gumede, ein weiteres Mitglied der Männergruppe legt dar, worum es heutzutage nicht mehr zeitgemäß ist, nur den Mann als Versorger der Familie zu sehen. Es folgen weitere kurze Reden und ein Poem eines Schüler, dem man anmerkt, wie schwer es für ihn ist, seine Schüchternheit zu überwinden. Am Ende eine Dankesrede des Prinzipals (Schuldirektors), danach gibt es ein Essen, das unsere Tshepanang Leute gekocht haben – aber leider nicht für die Kinder, sondern nur für die Lehrer und Elternvertreter, aus Kostengründen.
Die zweite Veranstaltung führt mich am 21.06. in die Bophirima Secondary School in Itsoseng. Hier zwängen sich 255 Schüler der Klassen 8 und 9 in eine kleine Halle. Man spürt, dass diesen älteren Schülern das Thema näher liegt. Außer den Reden gibt es ein langes Drama der hiesigen Schüler, das typischerweise das Traurig/Tragische von Gender Based Violence in lustiger Weise darstellt, nämlich das sie oft tödlich für die betroffenen Frauen und Kinder endet.
Bringen solche Veranstaltungen etwas? Viele Kinder haben unsere Reden sicher nur zum Teil verstanden. Gut ist, dass in der ersten Schule diese Veranstaltung die Serie von 13 Unterrichtseinheiten über Gender Based Violence zum Abschluss bringt. Bei den Kindern, die diese Stunden mitgemacht haben, bleibt vielleicht doch etwas hängen.
Wolfgang Hermann