Wolfgang und ich sind zur Zeit in Hermannsburg und geniessen das warme Wetter zusammen mit den grünen Bäumen, beides gibt es in Südafrika im Moment nicht. Bei uns geht es auf den Winter zu, der in diesem Jahr wegen des vielen Regens früh und kalt ausfallen soll. Etwas davon haben wir schon vor unserer Abreise gemerkt.
Wir sind froh, eine kleine Atempause zu haben. Anlass dazu war der 95. Geburtstag von Wolfgangs Mutter, den wir am 15. Mai schön gefeiert haben. Wir sind dankbar, dass unsere Mutter sich relativ guter Gesundheit erfreut, noch allein in ihrem Haus lebt und sich gut versorgen kann mit Hilfe einer treuen Haushaltshilfe, die dreimal die Woche kommt.
Unsere Arbeit in Tsibogang war in den letzten Wochen nicht leicht. Wir hatten das Jahr gut angefangen: Nachdem die Corona-Infektionen drastisch nach unten gingen, können die Schulen und Kindergärten wie vorher arbeiten. Alle Kinder dürfen kommen. Das war und ist eine grosse Erleichterung, denn man weiß inzwischen, dass durch die unregelmäßige Teilnahme am Unterricht alle Kinder ungefähr ein Schuljahr in ihrem Unterrichtsstoff zurück sind.
Wir merken das besonders bei den Kindern, die in unsere Hausaufgaben Betreuung kommen: Die Kinder der ersten drei Schulklassen können fast gar nicht lesen. Das ist eine große Aufgabe für unsere Mitarbeiter:innen. In den sechs Hausaufgaben-Betreuungs-Zentren haben wir im Februar mit allen Kindern Lesetests gemacht, um festzustellen, wie und ob sie lesen können. Von den insgesamt 225 Kindern konnten 118 nicht ausreichend lesen, und zwar in den Klassenstufen 2-6. Das ist niederschmetternd. Nun stehen wir vor der grossen Aufgabe, diesen Kindern zu helfen. Und genau das haben wir uns vorgenommen!
Im März erfuhren wir, dass die Lotterie, die seit 17 Jahren Tsibogang regelmässig mit grossen Beträgen unterstützt, in diesem Jahr unseren Antrag abgelehnt hat. Begründung: Die Mittel sind erschöpft. In der Presse ist zu lesen, dass ein Lotterie-Mitarbeiter mit Geldern der Lotterie sein privates Haus renoviert hat. Wolfgang setzte sich an den Computer und bereitete in kürzester Zeit einen neuen Antrag für die Lotterie vor, der allerdings wenigstens ein halbes Jahr braucht, um bearbeitet zu werden. So bleibt uns nichts anderes übrig, als von der Reserven des Tsibogang-Kontos zu leben. Und das reicht nur bis Ende des Jahres.
Ende April hörten wir von der Jahresversammlung des Förderkreises, dass sie uns in dieser Finanzkrise helfen wollen. Darüber sind wir sehr dankbar. Dennoch hat das Tsibogang Management Kommittee in seiner letzten Sitzung beschlossen, alle Gehälter und Aufwendungen um 10% zu kürzen, um die Finanzreserven möglichst lang zu strecken. Das ist bitter angesichts der Tatsache, dass die meisten ohnehin mit sehr wenig Geld auskommen müssen.
So wie überall auf der Welt sind die Lebenshaltungskosten enorm angestiegen. Wir merken es bei den Fahrkosten (Benzin, Sammeltaxen, Bussen), Gemüse und Fleisch, Käse, bei allen Grundnahrungsmitteln. Das betrifft unsere Kindergärten, Hausaufgaben-Betreuung, wo die Kinder jeden Tag zu Essen bekommen. Aber es betrifft letztlich alle Mitarbeiter:innen. So hoffen und beten wir, dass Gott unsere Not sieht und von irgendwo neues Geld kommt.
Ein herzliches Dankeschön an alle Spender und Spenderinnen, die unsere Arbeit in den ersten fünf Monaten dieses Jahres ermöglicht haben!
Christel Hermann